„Schneller, höher, stärker – unsichtbar. Geschlecht und sexuelle Identität im Sport“ – Nachbericht zur Podiumsdiskussion

Die Frauenfußball EM in den Niederlanden heizt  die Diskussion um Rollenbilder im Sport ein weiteres Mal an. Geschlecht und sexuelle Identität, Diskriminierung und Outings – gewollt oder erzwungen – sowie der andauernde Druck, sportliche Höchstleistungen zu erbringen: SportlerInnen aus der LSBTTIQ* Community sind besonderen Umständen ausgesetzt, die sich nicht nur auf ihre sportliche Karriere auswirken, sondern auch das Privatleben beeinflussen.  Im Rahmen der LSVD-Podiumsdiskussion „Schneller, höher, stärker – unsichtbar. Geschlecht und sexuelle Identität im Sport“ diskutierte ein hochkarätiges Podium über Vielfalt im Sport. Imke Duplitzer, ehemalige olympische Degenfechterin und Sportsoldatin, führte die Diskussion, die im Folgenden kurz zusammengefasst werden soll:

Tanja Walther-Ahrens, ehemalige Bundesliga Spielerin, engagiert sich aktiv gegen Homophobie im Fußball. Sie sprach sich deutlich dafür aus Klischees um den (Frauen-)Fußball abzubauen und die Öffentlichkeit, die durch den Sport erreicht würde, besser zu nutzen. Sport diene als Projektionsfläche für Träume und Leidenschaft in Deutschland. Dazu sei es wichtig, dass SpielerInnen, TrainerInnen und deren Umfeld von heterosexuellen und homosexuellen Vorbildern gleichermaßen, positive Beispiele vorgelebt bekämen. Besonders die Sexualisierung des Frauenfußball, wie z.B. im Slogan „Fußball von seiner schönsten Seite“ seien klar das falsche Signal. Walther-Ahrens machte deutlich, dass kleine Signale, wie regenbogenfarbene Eckfahnen wichtig seien, aber auch größere Strukturen wie Workshops und Schulungen zu mehr Akzeptanz und Offenheit im Sport, wichtig seien.

Sven Wolf, Ansprechpartner in Fragen zur Homophobie für den badischen Fußballverband, sowie Teil der AG Vielfalt im DFB. Als Vertreter des DFB sah sich Wolf zeitweise schweren Vorwürfen gegenüber gestellt. Als Teil der AG Vielfalt, die sich z.B. mit Coming-Outs im aktiven Sport auseinandersetzt, konnte Wolf von ersten Erfolgen und großem Zuspruch aus den Vereinen berichten. Anfängliche Sorgen, dass vor allem Amateurvereine sich schwertun würden dem Thema Homophobie im Fußball zu begegnen, seien demnach schnell verflogen. Im Gegenteil: Viele der Anregungen aus der Podiumsdiskussion können verwendet werden, um den Fußball auf allen Ebenen toleranter zu gestalten.

Dr. Jörg-Uwe Nieland, Professor an der Sporthochschule in Köln, vertrat die sportwissenschaftliche Sicht auf die Thematik. Er verlangt mehr Verantwortung und Mut großer Sportverbände wie DFB und DOSB, die Vielfalt ihrer Mitglieder auch öffentlich abzubilden. Nieland sieht aber auch die „Basis“ in der Pflicht einen Impuls an die Verbände zu senden, um die oft schwerfälligen und festgefahrenen Strukturen zu durchbrechen. Er wies darauf hin, dass Frauen im Sport sowohl sportliche als auch ästhetischen Ansprüchen genüge tun müssen. Entgegen ihrer männlichen Kollegen werden Sportlerinnen verstärkt nach ihrem Äußeren beurteilt, was dazu führe, dass Sportlerinnen teilweise geschminkt an Wettkämpfen teilnehmen. Als Grund nannte Nieland den männlich geprägten Blick besonders auf die Sportberichterstattung, die durch überwiegend männliche Sportjournalisten herbeigeführt würde.

Christian Decker, Gründungsmitglied der Stuttgarter Junxx, dem schwul-lesbischen Fanclub des VfB Stuttgart. Decker thematisierte die Entwicklung der Fankultur im Fußball, die sich seiner Einschätzung nach positiv und zunehmend toleranter gestalte. Während Rassismus, Doping und Drogenmissbrauch offen angesprochen würden, sei Homosexualität aber immer noch ein tabubehaftetes Thema. Dem will Decker zusammen mit dem  Stuttgarter Junxx e.V. auf „Augenhöhe“ begegnen und durch offene Gespräche Sichtbarkeit erzeugen. Auf die Nachfrage, ob die Gründung eines schwul-lesbischen Fanclubs nicht auch Gettoisierung bedeute, erwidert Decker, dass diese so lang wichtig sei, bis vollständige Sichtbarkeit erreicht sei. Er machte deutlich, dass Sport sehr wohl politisch sein könne und insbesondere Medien dafür sorgen könnten, Fans und SpielerInnen ein vorurteilsfreieres Umfeld zu bieten.

Umrahmt wurde der Abend von einer Diskussion um die Themen Akzeptanz und Vielfalt in der Gesamtgesellschaft, sowie Trans- und Intersexualität im Sport. Das rege Interesse des Publikums führte zu einer spannenden Abschlussdiskussion.

Das Fazit des Abends ist positiv. Die eingeschlagene Richtung der großen Sportverbände ist die richtige, müsse aber mit deutlich mehr Nachdruck verfolgt werden. Die große Öffentlichkeit, die Sport in Deutschland genießt, führt einerseits zu teilweise großem Druck auf betroffene SpielerInnen, aber bietet darüber hinaus die Möglichkeit eine große Öffentlichkeit zu erreichen. Besonders die Bedeutung des Amateursports und jedes Einzelnen wurde von den sechs PodiumssprecherInnen herausgestellt.

Wir bedanken uns bei allen TeilnehmerInnen und den Anwesenden für die interessanten Anregungen und freuen uns auf ein Wiedersehen.

 

Die Veranstaltung wurde gefördert vom

Ministerium für Soziales und Integration in Baden-Württemberg, vom Landesprogramm:

 

„DEMOKRATIE STÄRKEN!“
Baden-Württemberg gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus

und dem LSVD Aktionsfond.

 

Titelfoto (Fussballbeine): Gudrun Haase

alle anderen Fotos: Jessica Türk