Nachfolgend findet ihr die Antworten von Tübinger Liste, FDP und Die PARTEI.
Tübinger Liste:
zu 1: Der Tübinger Liste ist es wichtig, dass es in unserer Stadt eine bunte Vielfalt von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Identität gibt. Wir setzen uns gegen die Anfeindungen und Diskriminierungsversuche aus allen Richtungen ein. In unserem Wahlprogramm haben wir zu diesem Thema keine Aussage getroffen, aber grundsätzlich haben die Betroffenen selbstverständlich unsere volle Unterstützung.
zu 2: Ich habe mich persönlich vor den letzten Haushaltsverhandlungen in einem Gespräch vor Ort bei Adis e. V. über die aktuelle Situation Queerer Menschen in Tübingen informiert.
Es war sehr interessant, wie sich die Nachfrage nach Beratung und Unterstützung hier in Tübingen entwickelt, ob Arztsuche, – Termine, Wohngruppen, Beratung und so weiter.
Diese Vielfalt der Aufgaben und die so steigende Nachfrage hat mich überrascht.
Wir haben in den Haushaltsverhandlungen deshalb auch den Antrag von Adis auf einen finanziellen Zuschuss unterstützt.
zu 3: Natürlich unterstützen wir die ehrenamtlichen Vereine und Institutionen, bei der Aufklärung und Beratung in Schulen. Hier geht auch der Jugendgemeinderat mit gutem Beispiel voran. Aber als Fraktion können wir außer der möglichen finanziellen Unterstützung dieser Institutionen wenig leisten. Allerdings glaube ich aus Erfahrungen in meinem persönlichen Umfeld, dass man durch die offene Kommunikation und Diskussion über dieses Thema mehr Verständnis und Betroffenheit auslöst. Das Thema „Queer im Alter“ ist bisher nicht so sehr im Fokus. Aber dafür werden wir die vielfältigen Pflege- und Betreuungsangebote, die es in Tübingen gibt, zukünftig sensibilisieren.
zu 4: Inwieweit es hier Beratungsangebote und Bedarf gibt, können wir für Tübingen nicht beurteilen. Wie schwierig es für diese Gruppe von Menschen war, kann ich nur aufgrund eines Todesfalls in der Familie persönlich bewerten.
zu 5 und 6: Bisher gibt es Vereine, die sich mit der professionellen Antidiskriminierungsarbeit beschäftigen und die von der Stadt auch unterstützt werden. Dies erscheint ausreichend zu sein. Natürlich kann man sich mehr Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit vorstellen.
zu 7: Wir können uns vorstellen, so einem Netzwerk beizutreten. Allerdings müssen Sinn und Zweck vorher geprüft sein. Es muss den Menschen dann auch nutzen.
Die Tübinger Liste wird sich weiterhin für die Belange queerer Menschen und auch allen anderen Gruppen einsetzen, die unter Diskriminierung leiden.
FDP:
zu 1: Queere Kultur gehört zur Tübinger Geschichte, Stadtgesellschaft und Universität. Und sie gehört selbstverständlich zur Zukunft. Wir Freie Demokraten wollen jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Selbstbestimmung heißt für uns, so leben zu können, wie man ist. Ob schwul oder lesbisch, ob hetero- oder bisexuell, ob inter-, transsexuell oder transgender oder anders eingestellt – jede*r soll die Möglichkeiten haben, den eigenen Lebensentwurf verwirklichen können. Ob das in Tübingen gelingt, zeigt sich daran, ob queeres Leben in einer weltoffenen, vielfältigen und toleranten Stadt blüht. Diskriminierung, Beleidigung, Gewalt und andere Formen der Queerfeindlichkeit treten wir deshalb entschieden entgegen, sie darf keinen Platz in der Stadtgesellschaft und im Kreis haben. Wir unterstützen ehrenamtliches Engagement, wozu der gute Zugang zu Räumlichkeiten gehört, und bestärken eine Kultur der Toleranz und des freiheitlichen Miteinanders. Dazu gehört unser Interesse an queeren Themen und das offene Gespräch über Missstände. Als Anwälte von Freiheitsrechten für Einzelne lehnen wir zugleich jede Form von Identitätspolitik ab, die Menschen auf eine Gruppenzugehörigkeit reduziert, Menschen aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit diskriminiert oder Sonderrechte für Gruppen einfordert. Unser liberaler Politikansatz schließt also besondere Lösungen gegen besondere Diskriminierung oder Missstände ein, aber er schließt Sonderrechte und Privilegien aus.
zu 2: Tübingen hat eine lebendige queere Szene mit zahlreichen Einrichtungen und Vereinigungen. Dazu gehören das Queere Zentrum in Derendingen, das LuSchT-Team, die AIDS-Hilfe TübingenReutlingen e.V., TüBian und viele mehr. Durch personelle Verknüpfungen (queere Mitglieder unserer Partei) besteht hier Kontakt und auch Austausch. Die Daseinsberechtigung jeder queeren Einrichtung in Tübingen und im Kreis ergibt sich aus dem Engagement der Betroffenen für das Angebot und die Nachfrage, die sie findet. Wir unterstützen die Einrichtungen, so weit uns dies möglich ist und uns dies auch zugestanden wird, durch personelle Unterstützung einzelner Mitglieder in den Vereinigungen, wie z. B. Mitgliedschaften in den Vereinen oder als ehrenamtliche Helfer bei z. B. dem CSD, der LuSchT-Party etc.. Wir stellen uns als Partei hierbei jedoch niemals in den Vordergrund, denn wir sind fest davon überzeugt, dass es bei der Verteidigung, dem Ausbau und der Verfestigung von queeren Rechten um Menschenrechte geht, die nicht einer parteipolitischen Agenda unterliegen dürfen.
Wir unterstützen ehrenamtliches Engagement, wozu der gute Zugang zu Räumlichkeiten gehört, und erwarten vom Gemeinderat und der Stadtverwaltung Offenheit für queere Anliegen. Nun versprechen Parteien im Wahlkampf gerne allen alles, was gut klingt. Das machen wir aus Verantwortung für die städtischen Finanzen aber nicht, schon gar nicht, was pauschale Förderzusagen angeht.
zu 3: Dass wir dazu einen Beitrag leisten wollen, ist aus Überzeugung klar: JA! – Jugendliche und junge Erwachsene (gemeint ist hier auch beispielsweise Schulaufklärung und speziell Beratung und Aufklärung im Bereich trans) – Regenbogenfamilien und queere Familiengründende – Geflüchtete – ältere Menschen, vor allem schwule und lesbische Senior:innen Wie wir dazu einen Beitrag leisten können, dazu macht unser Tübinger Wahlprogramm dazu keine expliziten Angaben. Der eröffnet den Raum für einen Austausch über die im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung verankerten queer-politischen Punkte, die für uns in lokalpolitischer Entsprechung gelten – nicht zuletzt, weil sie häufig auf Beschlusslagen der FDP zurückzuführen sind. Daraus ergibt sich, da wo es erforderlich wird, für die oben genannten Punkte Lösungen zu entwerfen und die in die städtischen Diskurs einzubringen und sich so für die benannten Belange einzusetzen und stark zu machen.
zu 4: Bisher kam diese Problematik in Tübingen und im Kreis nicht in der Intensität auf das Tableau wie dies in Stuttgart z.B. der Fall zu sein scheint – auch wenn in Tübingen offenbar die Gründung einer 50+Gruppe ansteht. Wir sind aber neugierig und sichern gerne das offene Gespräch mit Betroffenen, um Lösungen und Möglichkeiten auszuloten und zu diskutieren. Grundsätzliche Leitlinie bleibt, dass jede*r Mensch auch im Alter so leben können soll, wie man ist – was besondere Lösungen einschließt, aber Sonderrechte und Privilegien ausschließt.
zu 5: Auch bei HIV-Infizierten ist in der Vergangenheit der Beratungsbedarf gestiegen. Zudem gab es Engpässe in der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit HIV. Wie setzt sich Ihre Liste/Ihre Partei hier ein, um dem entgegenzuwirken? Die ärztliche Versorgung, gerade auch für Menschen mit HIV ist in Tübingen unseres Wissens im Vergleich zu vielen anderen Städten und Regionen gut, nicht zuletzt durch das Uniklinikum und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten für Betroffene. Wir wollen dazu beitragen, dass zumindest die Versorgung auf diesem Stand bleibt, und uns dafür einsetzen, dass regelmäßig ausreichend Test-Möglichkeiten für Betroffene und Gefährdete, etwa nach dem Vorbild der Test-Abende einmal monatlich durch die AIDS-Hilfe, angeboten werden. Zudem verweisen wir auf die persönliche Unterstützung unserer Mitglieder bei Veranstaltungen der AIDS-Hilfe. Dieser hochsensible Bereich braucht viel Fingerspitzengefühl.
zu 6: Eine solche Stelle ist in Tübingen, dem Bereich der Gleichstellung zugeordnet, schon vorhanden. Unsere Partei steht in Austausch mit dieser Stelle und bespricht die notwenigen Themen und Bereiche. Besondere Problemlagen brauchen besondere Lösungen. Zugleich ist es eine weit verbreitete politische Fantasie, Probleme einfach durch neue Beauftragte und einen Budgetposten zu lösen. Wir hängen dieser Fantasie nicht an. Gutes und selbstbestimmtes Leben für jede*n Menschen ist eine Querschnittsaufgabe, die Ideen für eine bessere, das heißt freiheitlicher Organisation der herrschenden Verhältnisse braucht.
zu 7: Unseres Wissens ist Tübingen noch nicht Mitglied in einer der beiden genannten Netzwerke. Gerne prüfen wir mit Blick auf unsere Vorstellungen einer weltoffenen, toleranten und vielfältigen Stadt, unter welchen Bedingungen Tübingen einem oder beiden Netzwerken beitreten kann, um so die Situation von betroffenen queeren Personen zu verbessern. Selbstverständlich gehören menschenrechtliche Anliegen zu den Themen, die uns in der Ausgestaltung der Partnerschaft mit Partnerstädten interessieren.
Die PARTEI:
zu 1: Unser Wahlprogramm wurde unter dubiosen Umständen in einem Hinterzimmer von betrunkenen Altparteiler*innen erstellt – oder wir haben gar kein Wahlprogramm, da bin ich nicht up to date. Da es wenn überhaupt hauptsächlich Dinge wie Wasserrutschen und gratis Sushi enthält, gibt es wahrscheinlich nichts Spezifisches zur queeren Community. Am meisten setzte ich persönlich (Platz 3) mich für queere Menschen ein, indem ich mir und meinen anderen queeren Freund*innen etwas Gutes tue. Da es auch um meine eigene Sicherheit geht, würde ich aber keine Kosten und Aufwände scheuen wollen, wenn es gute Ideen gibt. In Tübingen sind wir schon sehr gut aufgestellt: Wir haben ein Queeres Zentrum, das vielseitige Veranstaltungen anbietet, eine soziale und ärztliche Beratungsstelle für Transmenschen, den Mädchen*treff und eine eigene Verwaltungsstelle „Queerbeauftragte*r“ für den Schwerpunkt Queere Chancengleichheit. Wir haben uns in der Vergangenheit immer über diese Neuerungen gefreut und sie miterkämpft und wollen das auch in Zukunft weiter tun – sofern wir Ideen haben.
zu 2: Wir sind immer dafür, guten Projekten Förderung zukommen zu lassen und dies auch in ein Fördersystem zu integrieren. Auch die Etablierung von Festanstellungen im Gegensatz zu ehrenamtlichen Kräften würden wir voll unterstützen. Gerne können sich auch neue Projekte an uns wenden, wenn sie ihr Projekt vorstellen wollen oder nicht wissen, wie sie an Hilfe kommen.
zu 3: Wir finden es schwer, genau zu sagen, welche Bevölkerungsgruppe wir mit Maßnahmen konkret treffen. Bisher haben wir uns initiativ für genderneutrale Toiletten, gratis Kondome, Femidome und Lecktücher sowie mehr Förderung für bereits bestehende queere Dinge eingesetzt. In diesem Sinne haben wir Bereiche fokussiert, die nicht allein der queeren Community helfen sowie auch in ihr alle Schichten begünstigen.
zu 4: Pflegeheime sind in Tübingen ein schwieriges Thema, da wir uns mit einem schlimmen Personalmangel konfrontiert sehen. Die städtischen Träger sind bereits mit der jetzigen Situation stellenweise überlastet. Es ist jedoch sehr gut vorstellbar, dass private Initiativen von der Stadt mitfanziert und bezuschusst werden. Einen sicheren Lebensort für queere Senior*innen würden wir sehr begrüßen. Fürsorge-Gemeschaften finden wir super, vor allem wenn diese auch multigenerationell gestaltet sind, sodass man sich gegenseitig helfen und unterstützen kann, und gleichzeitig ein safer Space für queere Menschen jeden Alters geschaffen wird.
zu 5: Wir haben die „Aidshilfe Tübingen-Reutlingen“ mit Sitz in Tübingen, die selbst beraten, Workshops anbieten, helfen und auch Treffpunkte für LGBT-Gruppen im allgemeinen sind. Tests auf HIV, Hepatitis, Syphillis, Chlamydien und Tripper sind bei finanziellen Notlagen kostenlos. Wir können uns gut vorstellen uns dafür einzusetzen, dass die Tests grundsätzlich kostenlos sind. Die Organisation selbst weiß, was sie braucht und wie sie sich verbessern kann, und wir sind voll dabei sie finanziell zu unterstützen. In der letzten Legislaturperiode haben wir 10.000 € für kostenlose Kondome, Femidome und Lecktücher bereitgestellt, wodurch dem CSD Tübingen e.V. und der Aidshilfe diese Kosten erstattet werden konnten. Vor allem für die Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten werden wir uns auch in Zukunft stark machen. Wie es danach weitergeht, müsste mir jemand anderes erklären, Medizin ist nicht mein Thema 🙂
zu 6: Haben wir schon, wir können gerne eine zweite beantragen! Doppelt hält besser.
zu 7: Wir würden uns sehr dafür einsetzen, dass Tübingen jeden solcher Netzwerke beitritt und sich öffentlich dazu bekennt. Auch für unsere Partnerstädte würden wir uns hier einsetzen. Unsere Partnerstädte befinden sich hauptsächlich in Mittel- und Westeuropa. Unsere amerikanische Partnerstadt Ann Arbor war die erste des Landes, in der eine offen homosexuelle Person ein politisches Amt gewann, und ist heute komplett in der Hand der Demokraten. Unsere tansanische Partnerstadt Moshi hat das Problem, dass Homosexualität im gesamten Land kriminalisiert ist. Vor allem aufgrund der Kolonialgeschichte des Landes, die die Homophobie erst so richtig etablierte, müssen wir hier besonders achtsam sein. Moshi ist eine vergleichsweise liberale Stadt, in der bereits erste Strukturen etabliert sind. Auch hier würden wir uns gerne für mehr Hilfe einsetzen. Aufgrund der politischen Lage ist der Kontakt zu unserer russischen Partnerstadt eingefroren, aber auch für unsere neue ukrainische Partnerstadt wünschen wir uns mehr queer-freundliche Strukturen. Womöglich ist daran jedoch erst nach dem Krieg zu denken. Vor allem in Tansania, der Ukraine und Russland besteht Handlungsbedarf.