Der Südwestrundfunk (SWR) bekommt einen neuen Staatsvertrag. Dieser wird gerade verhandelt. In der Zukunft ist auch für den LSVD⁺ eine Vertretung im Rundfunkrat vorgesehen. Damit bekommt der Sender für das Programm aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erstmals eine queere Programmaufsicht und Beratung. Lange hat der LSVD⁺ BW dafür gekämpft!
Der SWR-Staatsvertrag muss erneuert werden. Vor drei Wochen wurde der Entwurf veröffentlicht, und die Öffentlichkeit hatte bis Mitte vergangener Woche Zeit, dazu Stellung zu beziehen. Fest steht: Wenn alles so kommt, wie von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg geplant, dann wird einiges beim Sender umgebaut werden.
Für uns und für queere Menschen in den beiden Bundesländern gibt es viel Positives daran: Wir sind stolz darauf und freuen uns sehr, dass durch konsequente Arbeit und regelmäßige Gespräche mit den Entscheidungsträger:innen von den Staatsministerien Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Entwurf für den neuen SWR-Staatsvertrag ein Sitz für den LSVD⁺ Verband Queere Vielfalt im Rundfunkrat vorgesehen ist. Wir haben sehr lange und beharrlich für eine queere Vertretung im Rundfunkrat gekämpft. Jemand aus dem Landesverband Baden-Württemberg oder dem Landesverband Rheinland-Pfalz wird dann im zukünftigen SWR-Rundfunkrat den LSVD⁺ beider Bundesländer vertreten und auf queere Vielfalt bei der Programmgestaltung des SWR achten.
Querschnitt der Bevölkerung beider Bundesländer soll sich wiederspiegeln
Der Rundfunkrat, der ein Querschnitt der Bevölkerung sein soll, kontrolliert das Programm des SWR auf allen Ausspielwegen, berät Intendanz und Direktor:innen in Programmfragen, wacht über die Einhaltung des Programmauftrags und damit über eine vielfältige Berichterstattung, die die Interessen aller Bevölkerungsgruppen wiedergibt – und dazu gehört ja nun auch mal queeres Leben. In Zukunft wird es beim SWR keine Landesrundfunkräte mehr geben, sondern nur noch einen gemeinsamen Rundfunkrat als Aufsichtsgremium neben dem Verwaltungsrat. Das bedeutet aber auch, dass es insgesamt weniger Sitze geben wird. Der Rundfunkrat soll von 74 auf 52 Sitze verkleinert werden.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sparen, und so ist es natürlich legitim, dass auch die Gremien zusammengelegt bzw. verkleinert werden. Vorgesehen sind neben den festen Benennungen von Organisationen und Verbänden für den Rundfunkrat auch sogenannte Pool-Lösungen. Das heißt, dass in einem Themenbereich, beispielsweise der sozialen Arbeit oder auch im Sport, mehrere Verbände untereinander darauf einigen müssen, welcher den Bereich vertritt und eine:n Vertreter:in in den Rundfunkrat schickt. Diese Lösung finden wir problematisch, da wichtige Partner:innen von uns dann zukünftig nicht mehr vertreten sein werden.
Pool-Lösungen beim Entsendeverfahren sind problematisch
So müssen sich etwa Landesjugendring BW, Landesfamilienrat, Landesseniorenrat und Landesfrauenrat einigen, weil es in ihrem Pool zu wenig Plätze gibt, als dass alle Verbände vertreten sein können. All ihre Felder aber – Familienpolitik, Senior:innenpolitik, Jugendpolitik, feministische Politik – sind Querschnittsthemen. Zum anderen führt die Pool-Lösung dazu, dass bei Nicht-Einigung der Verbände der Ausschuss des Landtags Vertreter:innen wählen soll. Der Landtag sendet aber ja auch Abgeordnete in den Rundfunkrat und den Verwaltungsrat. Es wäre also ein weiterer politischer Zugriff auf den SWR – dabei gehört Staatsferne zu einem der großen Gebote bei der Gestaltung des SWR.
Auch finden wir nicht gut, dass nur ein Landessportbund zukünftig vertreten sein soll. Der Amateursport in Baden-Württemberg ist ein riesiges, diverses Feld, das unbedingt auch an die Medien- und Demokratiebildung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gekoppelt sein muss. Da die Diskussion aber jetzt erst in Gang kommt, bleibt abzuwarten, ob die geplanten Regelungen am Ende wirklich alle so in dem neuen SWR-Staatsvertrag münden.
Jenseits von Mann und Frau: Was ist mit der Repräsentation von Geschlechtervielfalt?
Ein weiterer Kritikpunkt: Die beiden Landesregierungen wollen beim Besetzen der Sitze Geschlechtergerechtigkeit herstellen und einen Wechsel von Mann und Frau qua Staatsvertrag vorschreiben. Jetzt ist aber ja nun nicht zuletzt durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2017 die Existenz mehrerer Geschlechter (sogenannte Dritte Option) gegeben und muss gesetzlich und gesellschaftlich anerkannt werden. Das wird in diesem Entwurf leider nicht berücksichtigt. Wie sollen dann beispielsweise non-binäre Gremien-Vertreter:innen entsandt werden können? In einer Zeit, in der wir glücklicherweise noch vor dem Bruch der Bundesregierung das Selbstbestimmungsgesetz bekommen haben und Kommunen und Unternehmen, nicht zuletzt der SWR selbst, gerade daran arbeiten, wie dieses in allen Einzelheiten des alltäglichen Lebens umgesetzt wird, beispielsweise mit dem Einrichten geschlechtsneutraler Toiletten, ist der Entwurf von BW und RLP an dieser Stelle nicht zeitgemäß.
Eine queere Vertretung auch im Verband der privaten Medien streben wir ebenfalls nach wie vor an. Mehr über queere Rundfunk- und Fernsehrat-Vertretungen gibt es hier.