Verfolgung lesbischer Frauen in BW wird endlich erforscht

Im Rahmen des Forschungsprojekts zur LSBTTIQ-Verfolgungsgeschichte in Baden-Württemberg werden die Schicksale lesbischer baden-württembergischer Frauen im Nationalsozialismus erforscht. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium sagte jetzt eine Finanzierung dafür von 200.000 Euro zu.

Nachdem die Erforschung der Geschichte von LSBTTIQ-Menschen im Nationalsozialismus lange Zeit vernachlässigt wurde, machte sich die grüne Landtagsfraktion diese Erforschung nach der Landtagswahl 2011 zum Ziel. In den ersten zwei Modulen in Kooperation mit der Universität Stuttgart und der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld stand die Verfolgung schwuler Männer im Fokus. Jetzt soll sich in einem dritten Modul der Verfolgung lesbischer Frauen gewidmet werden. Eingesetzt dafür hatte sich vor allem die grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch, die auch queerpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg ist.

Für die wissenschaftliche Aufarbeitung wurden die Professorinnen Katja Patzel-Mattern und Karen Nolte (Historisches Seminar und medizinische Fakultät, beide Universität Heidelberg) sowie die Historikerin Silvia Paletschek (Universität Freiburg) beauftragt. Damit wurde ihrem Forschungsantrag „Alleinerziehende Frauen, Freundinnen, frauenliebende Frauen – lesbische Lebenswelten im deutschen Südwesten (ca. 1920er- bis 1960er-Jahre)“ mit Unterstützung des Netzwerks LSBTTIQ stattgegeben.

Der LSVD Baden-Württemberg begrüßt die Entscheidung und die Förderung. Seit Jahrzehnten spielte und spielt für Forschung und Gedenkstätten die Verfolgung lesbischer Frauen in der NS-Zeit keine Rolle. Nach wie vor tut sich die Geschichtswissenschaft generell schwer mit queeren und auch feministischen Forschungsperspektiven. Es gibt zwar Arbeiten von Historikerinnen und Soziologinnen zur Verfolgung lesbischer Frauen. Diese werden aber zumeist als unwissenschaftlich abgetan. Es fehlt an Finanzierung, Wahrnehmung, einer Lobby, Übersetzungs- und Verbreitungsmöglichkeiten. Während bei schwulen Männern die Verfolgung ja quasi durch die Paragrafen 175 und 175a „belegt“ und nachgewiesen werden kann, war bisher das Hauptargument gegen die Erforschung lesbischer Schicksale im Nationalsozialismus, dass Lesben eben nicht offiziell kriminalisiert und verfolgt wurden. Die fehlende Kriminalisierung wiederum hat im Nationalsozialismus aber auch einen Grund: Frauen wurde generell kein Begehren zugestanden. Warum dann also weibliche Homosexualität unter Strafe stellen?2Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg vom Wissenschaftsministerium zur Förde-rung mit insgesamt 200.000 Euro ausgewählt.Ein ganz wichtiger Schritt zur Aufarbeitung der lesbischen Verfolgungsgeschichte, wie die langjährige Fürsprecherin der queeren Community im Landtag von Baden-Württemberg betont. So erinnert sie auch an das unwürdige Gezänkdarüber ob in der Gedenkstätte Ravensbrück auch der Verfolgung lesbischer Frauen Gedacht werden darf. „Nach diesem Forschungsprojekt kann kein Mensch mehr die Verfol-gung lesbischer Frauen in Zweifel ziehen“, sagt Brigitte Lösch abschließend.