Note Ungenügend: Kultusministerium lässt sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Schulen in Baden-Württemberg nahezu unberücksichtigt

Seit dem Schuljahr 2016/2017 sind die neuen Bildungspläne in Baden-Württemberg in Kraft. Mit ihnen hatte das Kultusministerium sechs Leitperspektiven verankert, darunter auch für das Thema „sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“. In einem Antrag fordert die Grünen-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg jetzt eine Überprüfung der Umsetzung und eine Studie zur Situation von LSBTTIQ-Jugendlichen und -Lehrerkräften im Bildungsbereich. Eine Stellungnahme des Kultusministeriums, die dem LSVD vorliegt, lässt vermuten, dass LSBTTIQ-Identitäten bisher in Schule und Unterricht eher keine Berücksichtigung fanden.

Es ist sehr enttäuschend, dass das Kultusministerium es in mehr als drei Jahren nicht geschafft hat, die Lebensrealitäten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern, Intersexuellen und queeren Menschen (LSBTTIQ) in Schule, Unterricht und Lehrkräftefortbildungen zu berücksichtigen, geschweige denn fachbezogene Ansprechpersonen in der Schulverwaltung zu schaffen oder sich für das Lehrpersonal beratend von außen zu suchen. Das gleicht einem Totalausfall. Bereits 2016 wir vorfehlender Verbindlichkeit und Überprüfbarkeit gewarnt. Leider sehen wir uns damit in unseren Befürchtungen bestätigt„, erklärt Kerstin Fritzsche aus dem Landesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) Baden-Württemberg.

Wie der Antwort von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zu entnehmen ist, wird erst jetzt am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung eine Handreichung erstellt. Diese soll dann vermutlich im Herbst für Schulpsycholog*innen und Beratungslehrer*innen verfügbar sein. Gesellschaftliche Vielfalt gehört zum heutigen Alltag, auf den Schule vorbereiten muss. Das ist originärer Bestandteil ihres Bildungsauftrags, damit Kinder und Jugendliche ein positives und akzeptierendes Selbstbild entwickeln und sich gegen Diskriminierungen behaupten können. Über die Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten muss sachlich und angemessen informiert werden, im Schulunterricht, aber auch in Schulbüchern. In Baden-Württemberg wurden die neuen Lehrpläne 2016/17 extra so angelegt, dass diese Leitperspektive nicht nur für den Biologieunterricht gilt, sondern fächerübergreifend. Im Schulalltag ist das offensichtlich nicht der Fall.

„In anderen Bundesländern gibt es das Projekt SchLAu – schwul-lesbische Aufklärung in der Schule, das von Schulämtern unterstützt wird und von Schulen angefragt werden kann. Leider gibt es eine solche landesweite Initiative in Baden-Württemberg nicht. Aber auch der LSVD oder das LSBTTIQ-Landesnetzwerk werden selten für Expertise oder Workshops angefragt. Gibt es hier einen Austausch, so beruht der sehr punktuelle Kontakt auf persönlichem Engagement von Lehrkräften, Schulleitungen und lokalen Initiativen oder Vereinen. In einem so großen Flächenland wie Baden-Württemberg reicht das nicht. Deswegen befürworten auch wir eine Studie zum Stand der Umsetzung der Bildungspläne. Nur wenn wir wissen, wie die Lebens- und Lernrealität von LSBTTIQ-Kindern und -Jugendlichen aussieht, kann dafür gesorgt werden, dass alle ein angstfreies Lernklima vorfinden“, so Fritzsche weiter.

Für Schulen und andere Bildungsinstitutionen ist die Anwendung der Leitperspektiven teils schwierig und konfliktreich. Hier würden Ansprechpersonen aus der Community und mehr Unterstützung sicherlich helfen. Ein Beispiel: Im Sommer 2017 gab es Wirbel um das Theaterstück „Ein Känguru wie du“ am Theater Baden-Baden. Mit der Inszenierung des Stücks wollte Intendantin Nicola May durchaus die neuen Bildungspläne stärken. In dem Stück geht es um ein schwules Känguru, das Diskriminierung erfährt. Eigentlich ideal, um Toleranz und Akzeptanz zu fördern. Doch die Plätze blieben leer und die angebotene theaterpädagogische Begleitung wurde nicht wahrgenommen. Warum? Eltern wollten nicht, dass ihre Kinder das Stück wegen angeblicher „Frühsexualisierung“ besuchten. Dabei geht es in dem Stück überhaupt nicht um Sexualität, sondern um Freundschaft. Das Stück wurde nach einigen Vorstellungen abgesetzt, eine Diskussion oder Aufarbeitung dazu fand nicht statt. „Eine Schule, die ähnliches vorhat, wird sich drei Mal überlegen, ob sie sich sehenden Auges in solch eine ziellose Auseinandersetzung begibt. Die Bildungsinstitution Theater vielleicht auch. Das ist doch schade! ‚Schwule Sau!‘ als Beschimpfung auf dem Schulhof ist hingegen nach wie vor noch sehr real„, bilanziert Vorständin Kerstin Fritzsche.und von Schulen angefragt werden kann. Leider gibt es eine solche landesweite Initiative in Baden-Württemberg nicht. Aber auch der LSVD oder das LSBTTIQ-Landesnetzwerk werden selten für Expertise oder Workshops angefragt. Gibt es hier einen Austausch, so beruht der sehr punktuelle Kontakt auf persönlichem Engagement von Lehrkräften, Schulleitungen und lokalen Initiativen oder Vereinen. In einem so großen Flächenland wie Baden-Württemberg reicht das nicht. Deswegen befürworten auch wir eine Studie zum Stand der Umsetzung der Bildungspläne. Nur wenn wir wissen, wie die Lebens- und Lernrealität von LSBTTIQ-Kindern und -Jugendlichen aussieht, kann dafür gesorgt werden, dass alle ein angstfreies Lernklima vorfinden“, so Fritzsche weiter.Für Schulen und andere Bildungsinstitutionen ist die Anwendung der Leitperspektiven teils schwierig und konfliktreich. Hier würden Ansprechpersonen aus der Community und mehr Unterstützung sicherlichhelfen. Ein Beispiel: Im Sommer 2017 gab es Wirbel um das Theaterstück „Ein Känguru wie du“ am Theater Baden-Baden. Mit der Inszenierung des Stücks wollte Intendantin Nicola May durchaus die neuen Bildungspläne stärken. In dem Stück geht es um ein schwules Känguru, das Diskriminierung erfährt. Eigentlich ideal, um Toleranz und Akzeptanz zu fördern. Doch die Plätze blieben leer und die angebotene theaterpädagogische Begleitung wurde nicht wahrgenommen. Warum? Eltern wollten nicht, dass ihre Kinder das Stück wegen angeblicher „Frühsexualisierung“ besuchten. Dabei geht es in dem Stück überhaupt nicht um Sexualität, sondern um Freundschaft. Das Stück wurde nach einigen Vorstellungen abgesetzt, eine Diskussion oder Aufarbeitung dazu fand nicht statt. „Eine Schule, die ähnliches vorhat, wird sich drei Mal überlegen, ob sie sich sehenden Auges in solch eine ziellose Auseinandersetzung begibt. Die Bildungsinstitution Theater vielleicht auch. Das ist doch schade! ‚Schwule Sau!‘ als Beschimpfung auf dem Schulhof ist hingegen nach wie vor noch sehr real“, bilanziert Vorständin Kerstin Fritzsche.